In Kooperation mit dem Notenspur Leipzig e.V. haben wir am 13. April 2023 zu einer Lesung aus dem Buch „Schneeblumen“ von Zahava Szász Stessel eingeladen. Wegen des großen Interesses waren zwei Veranstaltungen erforderlich. Die Texte wurden ausgewählt und gelesen von Katharina Nürnberger. Dazwischen erklang Cello-Musik, gespielt von Ayala Sivan Levi.
Dass wir die Lesungen am 13. April durchgeführt haben, ist kein Zufall. Der 13. April 1945 ist der Tag, an dem das KZ Buchenwald-Außenlager Markkleeberg geräumt und die gefangenen Frauen einen beschwerlichen Deportationsmarsch nach Theresienstadt antreten mussten.
Zahava Szasz, verheiratet Stessel, war 15 Jahre, als sie den strapazenreichen Marsch antreten musste, ihre kleinere Schwester Erzike 14 Jahre. Geboren und aufgewachsen waren die beiden ungarischen Jüdinnen im Nordosten Ungarns. Im Sommer 1944 begann ihr Leidensweg. Über Auschwitz und Bergen-Belsen trafen sie schließlich im Dezember 1944 in Markkleeberg ein, um dort in der Flugzeugindustrie Zwangsarbeit zu verrichten.
Über 50 Jahre nach ihrer Gefangenschaft in Markkleeberg brach Zahava Szász Stessel das Schweigen über ihre Zeit im Zwangsarbeitslager. Sie schildert im Schneeblumen-Buch die kräftezehrende Zwangsarbeit und den Alltag im Lager unter SS-Bewachung, und sie erzählt zugleich, wie selbst unter diesen Verhältnissen Menschlichkeit und Solidarität nicht aus-gelöscht werden konnten – wie “Schneeblumen” unter Eis und Schnee: „Für mich sind Schneeblumen Güte und Taten der Menschlichkeit, die es in dem Lager sogar unter den rauesten Bedingungen gab. Das Marmeladenbrot, das ein deutscher Ingenieur heimlich an die Maschine meiner Schwester legte, der kostbare Apfel, den unsere Lagerschwester Elza Reich mit uns teilte, der singende Vorarbeiter, der Hoffnung in alle einpflanzte, die mit ihm arbeiteten, die Frauen, die Lieder komponierten und damit unsere seelische Widerstandskraft stärkten und vor allem die geschwisterliche Liebe zwischen mir und meiner Schwester Erszike – das waren meine wertvollsten Schneeblumen.“
Durch diese Botschaft und vertieft durch die Musik lag trotz der bedrückenden Geschehnisse die Hoffnung über den beiden Veranstaltungen, etwas tun zu können gegen Ausgrenzung und Gewalt und Menschen Mut zum Leben machen zu können.
Bilder:
Zahava Szasz Stessel: Schneeblumen, Titelseite; Verlag Hentrich & Hentrich, Leipzig 2021
Lesung mit Musik in der Wohnschrittmacher-Wohnung, Foto Felix Papenhagen
Ayala Sivan Levi am Cello, Foto Sandra Schumann